Berni is back

Bereit

Blöde Überschrift, aber ich bin wirklich glücklich, dass ich wieder ein paar Zeilen von einem Wettkampf "absondern" kann!

Eigentlich war ich nach meinem Unfall so unmotiviert, daß ich München absagen wollte. Nach meinem IRONMAN70.3 sollte es der dritte Versuch werden, endlich einen neue Marathonbestzeit auf zu stellen (am besten 3:22:16h). Nach meinem Ellenbogenbruch war dies natürlich unmöglich. Als Jürgen noch "mein Chefdisponent" war, habe ich ihn immer verflucht, weil er mir den Münchner Marathon immer unmöglich gemacht hat. Dieses Jahr war ich aber mit ihm hier verabredet. Irgendwann habe ich erst Mut, und dann den Willen bekommen, trotz meiner Behinderung, die Challenge an zu nehmen.

Wirklich vorbereiten konnte ich einen Marathon nicht, dazu fehlten mir die körperlichen Mittel. So habe ich mich mit kurzen Intervallen auf dem Laufband im Fitneß-Studio und drei langen Läufen begnügen müssen.

In der Woche vor dem Marathon hatte ich nur abends Dienst, so dass ich jeden Tag ausschlafen konnte. Mein Gewicht ist durch die kohlehydratreiche Ernährung angestiegen, aber ich hatte nur drei Kilo mehr als sonst beim Marathon.

So ging es freitags mit Petra zum Flughafen. Wieder gab es Wolken, allerdings ohne Asche aus Island, und wir hatten einen schönen Flug nach München. Nachdem wir uns im Hotel eingecheckt haben, sind wir bei 17°C und schönstem Sonnenschein zum Olympiagelände gefahren, damit ich Jürgens und meine Startunterlagen abholen konnte. Auf der Messe war alles, was für Läufer von Interesse sein könnte, und ich habe ein paar Isogetränke probiert. Ich habe mir dann auch ein "Marathonset", bestehend aus Isopulver, Powergel und Creme für die Muskelentspannung, gekauft. Danach ein kleiner Stadtbummel durch München, und ein leckeres Abendessen beim Chinesen am "Stacchus" runden den ersten Tag in München ab. Samstag vormittag sollte für Petra sein. Mein Vorschlag war, in den Tierpark zu gehen, doch Petra hatte einen anderen Vorschlag: Dachau. Auch gut!

Hallo Petra

Als wir vom Bahnhof mit dem Bus zur Gedenkstätte fahren, sehe ich Schilder, die darauf hinweisen, daß wir an einer Kaserne vorbei fahren, die früher eine SS-Kaserne war. Langsam realisiere ich, daß hier heute bayerische Bereitschaftspolizei stationiert ist. Ich bekomme ein ungutes Gefühl, zumal viele Mannschaftswagen ausrücken - in München ist heute eine große AntiAKW-Demo.

Mit einigen Italienern, Briten und Amerikanern kommen wir am KZ… Entschuldigung an der Gedenkstätte Dachau an. Für lächerliche 3€ pro Person nehmen Petra und ich an einer Führung teil. Ich bin völlig neben der Spur. Obwohl hier nicht mal die schlimmsten Naziverbrechen begangen wurden, sind hier unglaubliche Dinge passiert.

Trotzdem habe ich keine Hintergedanken, als Petra und ich bei einem sehr guten italienischen Restaurant unser Mittagessen einnehmen. Sollte doch normal sein, oder? Abends sind wir dann nach einem ruhigen Nachmittag in einem deutschen Lokal und essen Pasta?! Mittlerweile haben wir auch Kontakt zu Jürgen. Wir holen ihn am Bahnhof ab, er hat sich im gleichen Hotel wie wir eingemietet. Wir machen noch eine Wettkampfbesprechung ;-) , trinken ein Bier, und gehen in unsere Betten. Ich schaue mir noch mal meinen Zeitplan an, um unter vier Stunden zu bleiben. Für mich ist das schon so grenzwertig, daß ich nicht wirklich Jürgen führen kann, aber ich würde es ihm schon wünschen, daß er mit mir dieses Ziel erreichen kann.

Essen

Am Sonntag komme ich gut aus den Federn. Alles ist gut vorbereitet, nur dieses Isozeug, was ich heute ausprobieren wollte, bekommt mir nicht sonderlich gut. Ich werde darauf verzichten, und es so machen wie immer! Bei dem gemeinsamen Frühstück macht Jürgen schon viele Einschränkungen, und ich sage ihm, daß ich selbst schon so im Grenzbereich geplant habe, daß ich mich nur bedingt um ihn kümmern kann. Nach dem Frühstück beginnt die "lange Reise". Zur Kleiderabgabe muß man erst zum Olympiastadion. Rund eine viertel Stunde Fußmarsch von der S-Bahn, um dort hin zu kommen. Es ist frisch, aber sonnig, als wir dort ankommen. Im Stadion gibt es genug Toiletten, und die Kleiderbeutelabgabe ist vortrefflich organisiert. Mein Langarmlaufshirt habe ich für alle Fälle eingepackt, nun ziehe ich es auch an, denn nur in der direkten Sonne hält man es ohne aus. Nachdem wir umgezogen sind, und unsere Sachen abgegeben haben, machen wir uns mit Petra auf den Weg zum Start. Jürgen macht mich kirre mit seiner Blase. Na gut, kurz vor dem Start gehe ich auch einmal (!), aber nicht dreimal. Bevor wir uns im Starterfeld einreihen leere ich noch ein Tütchen mit Gel. Dann erwarte ich den Startschuß! Jürgen geht dann noch mal in die Büsche, und verpaßt fast unseren Start.

Endlich geht es los! Auf der einen Seite bin ich ganz ruhig, aber auf der anderen Seite freue ich mich unheimlich auf die nächsten vier Stunden.

Ich bin konzentriert, und gebe das Tempo an. Jürgen bleibt bei mir, obwohl ich nicht so zügig loslege, wie er es möchte. Er versteht es aber schnell, und wir laufen sehr entspannt neben einander. "Entspannt" betrifft natürlich nur unser miteinander, denn spätestens als wir auf die Ludwigstrasse einbiegen, lassen wir auch Euphorie für die Strecke zu. Es ist so schön, hier zu laufen!

Nach dem hin und her auf der Ludwigstraße, bei dem wir super von den Münchnern unterstützt wurden, biegen wir in ruhigere Straßen ab. Unserer Laune tut dies keinen Abbruch, denn wir wissen, dass wir nun Richtung "Englischer Garten" laufen. Petra hat den Weg dorthin auch gefunden.

Der größte innerstädtische Park ist ein wunderschönes Laufgebiet, aber leider ist hier nicht viel los. Dafür rechtfertige ich das Verhalten der langsamen Linksläufer. Nur leider haben sie die Seite nicht gewechselt, als wir wieder aus dem Park draußen waren.

Die IsarHuch

Petra ist zwar am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Weil auch sie den Parcours so schön findet, verpasst sie uns. Sieht aber auch so gut aus, oder?

Jürgen geht es noch gut als wir die Isar überqueren. Als ich Jürgen frage, ob denn hier schon das Deutsche Museum sei, werde ich von einer Mitläuferin zu Recht gewiesen, dass das noch sehr weit ist. Entschuldigung, ich war noch nicht hier, und der Marathon dauert trotzdem 42,2km.

Juergen

Nun beginnt ein etwas dröger Teil, der uns durch Wohngebiete und kleine Industriegebiete führt. Die wenigen Zuschauer sind aber sehr aktiv. Auf den Startnummern stehen leider keine Namen, was für Jürgen und mich einen kleinen Vorteil bedeutet. Die Marathonfans an der Strecke freuen sich umso mehr, wenn sie Jürgens und meinen Namen auf unseren Shirts lesen und rufen können. Es gibt auch wieder reichliche Kinderhände, die abgeklatscht werden müssen! Und Jürgen sorgt für Abwechslung, weil er sein Langarmshirt, was er unter dem Spargelsprinter-Shirt trägt, auszieht.

Nach 2:02:23h überqueren wir die Halbmarathonmarke, 11sec. früher als geplant, aber wir laufen recht rund mit konstanten Kilometerzeiten (mal abgesehen von Jürgens Baummarkierungen ;-) ). Jürgen bleibt schön neben mir, und ich versuche, unsere letzte Temposteigerung bei Kilometer 28 vor zu bereiten. Ich hatte schon erwähnt, dass ich zwar das Tempo vorgeben kann, aber nicht variieren. Das bedeutet, dass ich mit fast unverminderter Geschwindigkeit durch die Versorgungsstellen laufe. Jürgen ist noch nicht so geübt, und schließt dann langsam wieder auf. Das macht er auch mit der nötigen Geduld.

Nach der Erfrischungsstelle bei Kilometer 25 warte ich ziemlich lange auf ihn. Wenn ich mich umdrehe sehe ich ihn, er ist nicht weit entfernt, aber ich kann nicht noch langsamer. Er sieht plötzlich völlig platt aus. So schwer es mir fällt, ich entscheide mich für mein Rennen.

Erste Maßnahme, ich haue einen 5:26er Kilometer raus, zweite Maßnahme auf dem Kilometer mit dem meisten Gefälle knalle ich noch einen 4:46er Kilometer hinterher. Am Deutschen Museum bin ich schon vorbei, und die Strecke ist wieder flach. Ich laufe wieder nach Plan, denn die Stelle, wo der "Mann mit dem Hammer" wohnt, kommt immer näher. Der nächste Höhepunkt beginnt am Isartor, und endet am Odeonsplatz und mitten drin der Marienplatz, den man zweimal überquert. Das ist der schönste Teil der Stadt, und das sehen auch die Zuschauer so. Tolle Stimmung, wie auch bei Pumuckel und mir. Apropro Pumuckel: Also eine Hand reicht nicht, um die ganzen Spendensammler auf der Strecke zu zählen. Ich finde das gut. So wird die Akzeptanz von Innenstadtsportveranstaltungen bestimmt erhöht, und das ist auch gut so!

Spassmacher

Am Odeonsplatz wird man dann so zu sagen aus der Stimmung gebracht, und läuft auf die schöne, aber weitläufige und einsame Ludwigstraße. Vor der Universität wird man dann noch mal ‚aufgetankt', bevor man einen schwierigen Exkurs über 4,5 Kilometer durch die Maxvorstadt macht. So langsam bekomme ich dumme Gedanken. Wie schön wäre es, mal eine Gehpause zu machen, wie viel Zeit hätte ich dafür. Seit einigen Kilometern überhole ich ständig, und nur wenige Mitstreiter überholen mich. Soll ich mir wirklich nachsagen lassen, ich hätte meine Kräfte nicht richtig eingeteilt…

Eh ich meine Gedanken in die Tat umsetzen kann, befinde ich mich wieder auf der Ludwigstraße. Ab jetzt reißen die Anfeuerungen nicht mehr ab. "Nur noch fünf Kilometer, Berni" wird mir zugerufen. Von weitem erkenne ich den Abzweig Richtung Olympiadorf. Ich war im festen Glauben, wir wären die ersten Kilometer nach unten gelaufen, stimmt aber nicht! Die letzten Kilometer sind überwiegend flach, manchmal ein kleines Gefälle. Ich habe keine Schmerzen mehr, als ich den Fernsehturm sehe. Ich genieße jeden Meter und freue mich auf den Höhepunkt.

Wieder mal habe ich bei einem Marathon tränen in den Augen, als ich durch DAS Marathontor ins Olympiastadion laufe. Was für Namen mir durch den Kopf schießen: Heide Rosendahl und Franz Beckenbauer zum Beispiel. Und jetzt ICH. Im Marathontor laufe ich an einen Pulk, den ich bis zum Ziel hinter mich bringe. Unter 4 Stunden! Leider gibt es kein Bild davon, aber zwei Kilometer vor dem Ziel wusste ich ja schon, dass ich es schaffen würde, und habe geübt mit der linken (kranken) Faust meinen Erfolg zu zeigen. Im Ziel hätte ich es fast vermasselt, und hatte schon die rechte Faust geballt. Aber dann war die linke doch oben, als ich die freudig piepende Zielmatte überlaufe.

Die Gluecklichen

Ich freue mich auf ein Wasser und Äpfel aus Südtirol, und dann gibt es auch hier alkoholfreies Bier. Was für eine Kulisse, soviel Menschen habe ich im Olympiastadion nicht erwartet. So langsam komme ich wieder zu mir. Da fehlt doch was. Na klar, Mensch, mein Partner! Wann wird Jürgen ins Ziel kommen? Ich stelle mich ans Ziel, und warte auf seinen Einlauf - und warte - und dann dachte ich, ich habe ihn verpasst. Dann gehe ich mir halt mein Bier holen. Es gibt eingeschenkten Weizen, oder man bekommt einfach einen Becher und eine geöffnete Flasche. Letzteres geht schneller. Unfallfrei habe ich nun das Glas leer und den Becher voll, da sehe ich wie Jürgen die Ziellinie überquert. Auch geschafft, auch Glücklich!

Gemeinsam nehmen wir die letzte schwere Prüfung an. Wir gehen die trilliardensidien Stufen der Westkurve hinauf. Danach aber pures Glück, das einem nicht durch organisatorische Unwägbarkeiten vermiest wird.

Ich lege mich im Hotel erst mal hin, danach dusche ich, und dann geht es gemeinsam mit Petra und Jürgen Haxen essen und Bier trinken. Wir sind alle ziemlich müde, nehmen noch einen Absacker, und dann ab ins Bett.

Am Montag müssen wir zwar vormittags die Zimmer räumen, aber wir fahren / fliegen erst nachmittags. So machen wir noch einen ausgedehnten Regenerationsspaziergang durch den englischen Garten, essen leckere "Fettereien" auf dem Viktualienmarkt und dann geht ein für mich beeindruckendes Wochenende mit einem unruhigen Rückflug zu Ende.


Wem der Bericht zu lang ist (z.B. Petra), bekommt hier eine Zusammenfassung-

Münchner Marathon: Gute Organisation, tolles Wetter, sensationelle Locations! Wiederholung erwünscht!


Berni Helmdorf

Jürgen Reitzler
4:18:23
Berni Helmdorf
3:57:18
Ralf Dittmann
3:53:27


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