Das Radfahren ist des Bernis LustEine Strecke von 120 Kilometern in einem Wettkampf, erschien einigen zu viel. Aber der IRONMAN70.3 ist ungefähr gleich lang, allerdings "nur" 90 Kilometer auf dem Rad, dafür aber über 20 Kilometern zu Fuß. Dann bin ich halt verrückt, weil ich mich mit einer Zielzeit von 4 Stunden angemeldet habe: "30er Schnitt, dass ist zu viel für dich". Zuletzt hielt ich mich selbst für übergeschnappt, weil weder mein Training, noch meine diesjährigen Wettkämpfe einen Hinweis auf Erfolg lieferten. Das Wetter hatte sich auch noch nicht entschieden, ob es denn regnet, oder nicht. Ganz relaxt fahren Petra (FFF- Frau, Fotografin, Fan) und ich nach Berlin. Wir haben wieder in Tegel ein Zimmer gebucht. Schnell eingecheckt, mit Burkhard verabredet und ab zur Startunterlagenausgabe. Diese ist in den Geschäftsräumen eines Hauptsponsors, und perfekt organisiert. Vor dem Laden waren ein paar Firmen vertreten, so eine Art Messe. Wenn man schon mal in Kudammnähe ist, muss man natürlich noch shoppen gehen. Für Petra hat sich dann auch was gefunden. Abends sind wir mit einem Italiener verabredet, der Pasta wegen. Ich richte meine Sachen für den morgigen Tag: Startnummer, Trinken, Gel usw... Früh gehe ich zu Bett, aber kann mir von dort den Boxkampf anschauen, noch ein Sudoku lösen und dann gut schlafen. Um 6:40 Uhr ist die Nachtruhe beendet. Ich fühle mich gut (trotz der Uhrzeit), habe aber so eine komische Unruhe in mir, obwohl alles gut vorbereitet ist. Auf dem Weg vom Bahnhof Friedrichstraße werde ich langsam ruhiger. Zwischen dem Kanzlerinnenamt und dem Abgeordnetenhaus ist die Kleiderbeutelabgabe. Dort verweile ich mit Petra, bis es auch für mich Zeit war, vom Touri zum Sportler zu mutieren. Der Weg in meine Startgruppe ist weit, fast wieder zurück zur Friedrichstrasse. Petra begleitet mich bis zum Bundestag, geht dann aber Richtung Brandenburger Tor auf Motivsuche. Vor den Startgruppen waren genug von diesen blauen Häuschen vorhanden. Ich setzte mich noch ein paar Minuten auf eine Mauer, besuche ein solches Häuschen, und begebe mich durch die Kontrolle auf meinen Startplatz. In meiner Startgruppe sind viele MTB's und ATB's, eine Menge Starter, die etwa doppelt so viel auf die Waage bringen, wie ich und, ich konnte es kaum fassen, einige Starter vertrieben sich die Zeit bis zum Start mit rauchen. Ehrenwort, in meinen Rückentaschen war nur Gel. Irgendwann sah man dann, vorne im Feld, ein paar auf ihr Rad steigen. Bald geht's los. Ganz langsam radelt man Richtung Start. Ich traue dem Frieden noch(!) nicht, und halte größt' möglichen Abstand zu den anderen Radsportlern. Petras Motivsuche hatte Erfolg. Wo war denn jetzt der Start? Sehr unspektakulär starte ich einfach meinen Radcomputer. Die ersten Kilometer sind Halbmarathon rückwärts, sprich Potsdamer Platz bis Kurfüstendamm. Nach einer kleinen Zwischenstrecke kommt der Halbmarathon richtig rum, also Otto-Suhr-Allee zum Charlottenburger Schloss. Danach befahre ich unbekanntes Terrain. Den Grunewald kenne ich nur, weil ich bisher immer über die Avus nach Berlin gekommen bin. Das Wasser von Havel bzw. Wannsee sehe ich nur kurz, denn die Havelchaussee geht überwiegend durch Wald, ist in unserer Richtung abschüssig und ziemlich schnell zu fahren (ich bin da fast 50km/h gefahren). Leider musste ich hier Blut sehen, denn zwei von den drei Unfällen, an denen ich vorbeifuhr, waren hier. Alles Gute den Verletzten. Ich aber, habe mit zunehmendem Tempo auch mehr Mut in meine Fahrkünste gelegt, und gleichzeitig mehr Vertrauen in die Rücksichtsnahme meiner Mitfahrer bekommen. Später werde ich noch sehen, wie wichtig dieser Teil der Strecke für mich war! In Zehlendorf wird es dann wieder städtisch. Die Zuschauer sind wieder auf der Straße, oder machen im Vorgarten Picknick. Die erste Verpflegungsstelle lasse ich rechts liegen, mit meinem Proviant komme ich noch weit. Noch ein ganzes Stück geht es so weiter, und ich suche mir Gruppen, an die ich mich hängen kann. Ich fahre ein Stück hinterher, und versuche mich dann an die nächste Gruppe zu ziehen. Überwiegend gelingt mir das auch. Ab Teltow wird es nicht nur ländlich, sondern auch windig. Ach, ist Brandenburg schön. Die Bewohner der Städte und Dörfer, durch die wir fahren, verstehen es genau so gut die Sportler zu feiern und an zu feuern, wie die Berliner (mein Lieblingspublikum kurz vor den Hamburgern). Die Landstrassen sind anspruchsvoller, weil doch eine ordentliche Prise weht. Jetzt ist es schwer, hinter einer Gruppe zu fahren. All meinen Mut nehme ich zusammen und fahre in die Gruppen. Zunächst hochkonzentriert bei einem Schnitt von 32-33km/h, mit der Zeit aber immer lockerer, und zum Schluss sogar im Gespräch mit anderen Radlern, überstehe ich auch diese Hürde. Meine neue Sportart - Windschattenhopping - muss ich noch perfektionieren: Ich will die nächste Gruppe erreichen, fahre aber nach einer Kurve voll gegen den Wind. Ich quäle mich fürchterlich, aber komme nicht näher. Ein erfahrener Radfahrer überholt mich mit dem flotten Spruch: "Windschatten gefällig?" Ja, klar! Er macht Tempo für einen Freund, jetzt sind wir zu dritt. Ich erhole mich gut, aber auch gemeinsam kommen wir der deutlich größeren Gruppe nur wenig näher. Wir sammeln noch zwei Frauen und einen Mann auf, sind also zu sechst. So kommen wir schneller vorwärts, und ich setze mich diesmal mit Erfolg ab. Bald sind wir wieder in Berlin, und ich frage mich, ob Petra mich in Tempelhof sehen wird, wie wir es angedacht hatten. Aber mein primäres Problem ist meine "Sitzfläche". Ich bin Rechtssitzer, diese Seite ist aber Wund. So gut es geht, versuche ich auf der ungewohnten Seite zu sitzen. Noch rund 45 Kilometer muss mein Hintern aushalten. Dafür machen mir meine Beine, mein Rad und der Wettkampf richtig Freude. Petra ist ein mit allen Wassern gewaschener Berlin-Profi. Unmittelbar vor dem (ehemaligen) Flughafen Tempelhof steht sie pünktlich, um Bilder für meine Homepage zu machen, und um mir Kraft zu geben. Ich weiß nicht, wie sie das immer macht. Diesmal hat sie einen sehr glücklichen Berni gesehen. Ich bin schon ein bisschen im Freudentaumel, als wir auf die Hermann-Straße einbiegen, und einen ersten Blick auf den Alex werfen können. Etwas später, ich bin nicht ganz sicher, ich glaube auf Höhe des Ostbahnhofs, sieht man Alex und Rotes Rathaus. Wenn man es soweit geschafft hat, ist der Rest ein Klacks - etwa 10 Kilometer, das ist doch nix. Als ich auf die Rahel-Hirsch-Straße schauen kann, sehe ich ziemlich große voll besetzte Tribünen. Ich wunder mich, was für einen hohen Stellenwert der Velothon in Berlin hat. Beim vorbei fahren muss ich allerdings feststellen, da wurde ein Stadion hingebaut, wie ich vermutete für Beachvolleyball. Abends erfahre ich, das war ein hochkarätiges Turnier. Wie macht das Berlin nur, zwei große Sportveranstaltungen mitten in der Stadt, Start eines großen Musikfestivals und ich weiß nicht was. Irre! Als ich auf die Siegessäule zu fahre, fragt mich jemand, wie es war. "Super" sage ich, biege auf die Strasse des 17.Juni, und fahre mit 40km/h auf das Brandenburger Tor zu. Also im Zielbereich beim Marathon ist hier mehr los, und ich weiß auch gar nicht so genau, wo denn das Ziel war. Wie schon zu Beginn drücke ich irgendwann auf meinen Computer. Ich habe während des Rennens nur auf Puls und Geschwindigkeit geachtet, jetzt schaue ich auf die Zeit. Wahnsinn! 3:31h zeigt die Uhr. Supergelaunt lasse ich mich in den Finisherbereich leiten. Schnell bin ich meinen Transponder los, und erhalte dafür eine Quittung, und meine Medaille. Während ich mich auf den Weg zur Kleideraufbewahrung mache, leere ich die Reste in meinen Trinkflaschen und Geltüten. Die Kleiderbeutel sind nach Startnummern sortiert, aber welche habe ich. Auf dem Transponder steht sie, aber den habe ich nicht mehr. Als ich mich dann an einen Helfer wende, bekomme ich erst mal ein verständnisvolles Lächeln geschenkt, denn dieses Problem habe nicht nur ich. Die Startnummer trage ich ja noch auf dem Rücken. Derweil hat mich auch Petra gefunden. Wir sind beide überglücklich, Petra weil ich fit bin, und ich, weil ich endlich einen guten Wettkampf auf den Weg nach Wiesbaden absolviert habe. Auch die Sonne freut sich mit, und so beschließen wir, uns noch ein bisschen dem Sonnenbaden auf der Wiese vor dem Bundestag hin zu geben. Meckern kann man nicht wirklich über den Wettkampf. Die Messe hat nicht gerade zum Geld ausgeben animiert, Start und Ziel ist nicht so stimmungsvoll wie bei Laufveranstaltungen und es war das erste Mal, das ich meine Medaille verpackt übereicht bekam. Die Strecke zeigt, wie viele schöne Ecken es in und um Berlin gibt. Auch in Brandenburg gibt es reichlich Zuschauer, und die sind auf "Berliner" Niveau. Die Organisation war perfekt. Die Startnummernausgabe ging flott, bei den Kleiderbeuteln gab es davor und danach keine Staus, auch die Transponderrückgabe war dank zusätzlicher mobiler Sammler kein Stress. Für mich der Oberhammer war das Aufgebot an der Strecke. Auf alle Kurven und Gefahrenstellen wurde durch Schilder sehr gut hin gewiesen. Trotzdem standen an diesen Punkten ein bis zwei Streckenposten mit Trillerpfeife und gelber Fahne. Das ging soweit, dass selbst Autos, die auf der Strecke (falsch) parken, durch ehrenamtliche Helfer abgesichert werden. Alles in allem sehr beeindruckend! Petra, darf ich nächstes Jahr wieder zum Velothon? Berni Helmdorf
|