Mein l�ngster halber Tag![]() Als ich mich Ende 2008 zum IRONMAN70.3 in Wiesbaden angemeldet habe, wusste ich, dass es mindestens ein Jahr zu fr�h f�r so einen langen und schweren Wettkampf ist. Insbesondere was die Steigungen der Radstrecke bedeuten w�rden, konnte ich nicht einsch�tzen. Aber es gab f�r mich zwei schlagkr�ftige Gr�nde, es doch an zu gehen: Erstens habe ich dieses Jahr 10j�hriges Jubil�um als Ausdauersportler, und zweitens konnte ich dieses Jahr ordentlich �berstunden und Resturlaub abbauen. Und dass ich bei einem Sportevent in meiner Geburtsstadt teilnehmen werde, der auch noch an "Orginalschaupl�tzen" meiner ersten 26 Lebensjahre vorbei f�hrt, war eh unvermeidlich. ![]() Die Vorbereitung begann mit dem Zusammensuchen geeigneter Fachliteratur zur Trainingsplanung, dazu ein Fachbuch zur Schwimmtechnik. Schwimmen und Laufen im Winter ist kein Problem, aber was ist mit Radfahren. Nach eingehender Beratung mit meinem Fahrradh�ndler kam ich zu einer kosteng�nstigen L�sung. Die Planung der letzten sechs Monate vor dem Ironman ist recht komplex, weil der Trainingsplan und meine Wettk�mpfe nur bedingt harmonieren. Konkret habe ich dann auch nichts geplant, au�er den Schwerpunkten. Den Rest habe ich teilweise nach einem empfohlenen Raster oder fremdbestimmt ausgef�llt. Ca. einen Monat habe ich durch Krankheit und Verletzung verloren. Am Anfang dachte ich, ich sei auf dem falschen Weg, weil mein Ergebnis beim Wasa-Lauf in Celle nicht so toll war, aber die letzten zwei Monate f�hlte ich mich in Wettk�mpfen und beim Training sehr wohl. P�nktlich zu Beginn der Wettkampfwoche lege ich, statt tapern, mehrmals t�glich ein Sprinttraining auf das stille �rtchen ein. Im wahrsten Sinne des Wortes: So ein Sch�! Komischerweise f�hle ich mich nicht krank. Aber w�hrend des Triathlons kann ich nicht st�ndig pausieren. Es bleibt nur, ein Medikament zu nehmen - nat�rlich eins, das von der NADA frei gegeben ist! Also am Freitag ist nicht nur ein Besuch in der Apotheke angesagt, sondern auch das geplante
Programm: Messebesuch, Startunterlagen abholen und Gel�nde in Schierstein besichtigen. Der Renner
auf der Messe sind St�tzstr�mpfe, ich brauche aber nur ein bisschen ISO-Pulver. An dem Stand, an dem
ich das finde was ich will, ist auch eine junge Dame, die f�r Irontown Ferropolis Werbung macht. Bei mir,
aber erfreulicher Weise auch bei Petra, braucht sie das nicht, wir sind schon begeistert (04-06.06.2010).
Im "Raceoffice" erhalte ich nach dem Erwerb der Tageslizenz schnell meine Startnummern und die drei
Kleiderbeutel. Der Samstag steht schon ganz im Zeichen des Wettkampfs. Die drei Taschen werden gepackt und das Rad, und zwei der drei Kleiderbeutel m�ssen in Schierstein abgegeben werden. Vorher gehe ich ins Kurhaus zur Wettkampfbesprechung. Als kleiner Junge ging ich hier in viele Konzerte (70er). Das Publikum war ziemlich alt, und man hat viele Gehst�cke gesehen. Mit Anfang zwanzig bin ich Angestellter im frisch restaurierten Kurhaus, und nat�rlich ist es Senioren- und Behindertengerecht (80er). Viele Besucher kommen im Rollstuhl, und langsam beginnt die Zeit der Rollatoren. Jetzt, 2009, sitze ich als Gast eines Sportevents im Kurhaus, und bin umzingelt von St�tzstrumpftr�gern. Evolution? ![]() Bei der Sack- und Radabgabe im Schiersteiner Hafen wird zun�chst Rad und Helm total durchgecheckt. Jeder Athlet wird mit Rad und Startnummer zur Sicherheit fotografiert. Dann kommt der Luxus. Ein(e) Ehrenamtliche(r) nimmt die Beutel in einem Korb auf. Den roten Beutel gibt er (sie) an einem Laster ab, der ihn in die zweite Wechselzone bringt. "Meine" Ehrenamtliche hie� Ute, sie war mal Siebenk�mpferin und ist noch heute sportbegeistert. Unser zweiter Gang f�hrt uns an meinen ersten Wechselplatz. Ute hilft mir mein Rad und meinen Helm f�r die Nachtruhe fertig zu machen, gibt mir noch ein paar Tipps, wie ich meinen Platz im Wettkampf finde und geht dann mit mir den Weg bis zum Radstart. Sie w�nscht mir alles Gute, und verabschiedet sich sehr herzlich von mir. So waren die heutigen Pflichten erf�llt. Das Relaxen ist etwas schwierig, denn in Wiesbaden ist Weinfest. Doch die gestrige Feier hat mein Umfeld M�de gemacht. Ich trinke ein Bier, und rauche eine Zigarette, dann geht es zur Nachtruhe. ![]() Der l�ngste halbe Tag beginnt f�r mich, bevor der Wecker klingelt. 6:30Uhr bin ich auf den Beinen. Da ich mich immer gut vorbereite, l�uft alles fast automatisch ab. Fr�hst�cken, waschen und Pulsgurt anlegen, und zu guter Letzt Getr�nke fertig machen. Einzig den Toilettengang lerne ich nicht zu automatisieren. Ich bin schon fast begl�ckt, dass ich gleich nach dem ersten St�ck Brot etwas los werde. Umso besorgter werde ich, als ich kurz vor dem Aufbruch erneut auf das "stille �rtchen" gezwungen werde. Okay, doch noch eine der o.g. Tablette. Vielleicht findet der Eine oder die Andere die genauere Beschreibung unpassend, aber beispielsweise Norman Stadler war schon mit �hnlichen Problemen im Fernsehen zu sehen, wie er aufgeben musste. F�r ihn geh�rt das zu seinem Job, f�r mich w�re das ein komplett verlorener Urlaub. Also habt freundlicherweise Verst�ndnis. ![]() Jedenfalls f�hle ich mich gesund, als ich im Schiersteiner Hafen ankomme. Ich gehe sofort zu meinem Wechselplatz. Ich bin doch nicht so routiniert, wie sonst. Alles ist gr��er, weitl�ufiger und spannender. Ich versuche Ordnung in meinen Wechselplatz zu bekommen. Von fern h�re ich, dass die Profis starten. Ein letztes Mal: Ich stelle mich an der Schlange vor den Dixies an, und kann den Moderator h�ren. Nach einigen Minuten wimmelt es von Ordnern. Die Stars des Tages sind mit dem Schwimmen fertig, und laufen an mir vorbei zu ihren R�dern. Al-Sultan, Raelert, van Vlerken, Steinbrecher (geb. Brede), Krebs und die Anderen - alle mussten sie an mir vorbei. Klasse! Dann wird es auch f�r mich Zeit, mich fertig zu machen. Anders als sonst trage ich heute unter dem Neopren Sonnenschutzmittel. Und das ist auch gut so! Ebenso langsam, wie ich mich beruhige, gehe ich durch die Wechselzone in den Vorstartbereich. ![]() Gestern lag hier noch eine riesige Platte, die h�ngt jetzt an einem Kran, und dient als Wassereinstieg. Als ich die Rampe betrete, um ins Wasser zu steigen, steigt auch meine Aufregung. Locker werde ich erst wieder, als meine F��e im warmen Wasser sind, und ich tats�chlich Fische z�hlen kann. Vom Einstieg bis zur Startleine sind es ziemlich genau 100m. Zum Einschwimmen ist das optimal. Zwischen Schwimmausstieg und Wechselzone ist Party, aber am Start herrscht Ruhe. Pl�tzlich gehen die Lautsprecher f�r den Starbereich an. Nach dem Startsignal reihe ich mich gleich in die richtige Gruppe ein. Das ist ja auch einfach, ganz hinten zu schwimmen. Wir sind, glaube ich, sechs angehende Ironm�nner. Ich fange ganz ruhig mit dreier Atmung an, und staune, dass ich mich so gut orientieren kann. Die knallgelben Bojen sind zwar gro�, aber weit auseinander. Alles l�uft gut, aber wenn man die H�lfte der Strecke als gerade sieht, nimmt sie irgendwie kein Ende. Nach der Wende kann ich kurz auf dem Display meines Herzometers erkennen, das ich 24min. unterwegs bin. Ich bin mir sicher, dass ich es unter 50min. bis zum Ausstieg schaffe. Ein St�ck weiter �berholen mich die ersten Wettk�mpfer der folgenden Startgruppe. Obwohl ich mich bem�he, niemandem im Weg zu sein, versetzen mir doch einige einen Schlag. Auf der Gegengerade in H�he der Hafeneinfahrt habe ich das Gef�hl, nicht vorw�rts zu kommen. Gibt es hier Str�mung? Lassen die Kr�fte nach? Etwas entt�uscht bin ich schon, als ich nach fast 52min. aus dem Wasser komme. Aber ich bin bereit f�r weitere Aufgaben. Der Wechsel aufs Rad geht fast wie gewohnt von statten, ich bin nur etwas verunsichert, wie ich den Korb packen muss. Ich werfe einfach alles rein, und begebe mich auf die Reise in den Rheingau. ![]() Der erste (flache) Teil der Strecke ist nicht besonders attraktiv. In Walluf ist nix los, und ich versuche mich, mit Fragen an meine Beine, ab zu lenken. In Eltville freue ich mich erst �ber die Erinnerungen, die mir durch den Kopf gehen, dann �ber die Zuschauer. Dann wird abgebogen, und ich wei�: Jetzt geht's los! Der erste Anstieg f�hrt uns nach Kiedrich, in der Altstadt beginnt dann die "Betreuung" durch die �rtlichen Anfeuerer. Dann kommt mein Anfang vom Ende. Obwohl die Strecke wundersch�n ist, kann ich nicht jeden Abschnitt beschreiben. Aber das Profil hat es in sich. Im Gegensatz zu meiner Trainingsstrecke im Harz sind mir hier die Abfahrten zu kurz, um mich f�r den n�chsten Anstieg zu erholen. St�ndig muss ich Druck auf die Pedale geben. In jedem Dorf, in jeder Stadt und an jedem steileren Berg wird man von den Anwohnern unterst�tzt. Eine riesen Show bieten die B�rger in Niederlibbach. Wie gut das tut, denn im n�chsten Dorf, Oberlibbach, beginnt "The Hammer"! Als ich dort reinfahre, denke ich, dies sei eine Geisterstadt - keine Menschenseele. Die Stra�e macht einen Knick, und dann schaue ich rauf, sehe etwas Stra�e und scheinbar alle Oberlibbacher. Aber auch hier bei�e ich mich hoch. Die Abfahrt nach Wiesbaden ist nicht ganz so schnell, wie ich dachte, mir macht es aber riesigen Spa�, und ich empfinde es als Belohnung. Auf der Taunusstra�e ziehe ich schon mal meine Radschuhe aus, und versuche, meine Beine zu lockern. Am Kureck ist die Radfahrt beendet. Puh. ![]() Als ich an die Haltelinie fahre, kommt mir ein Helfer entgegen und schnappt mir mit einem "ich hab's" das Rad weg. Ein Spalier von Ehrenamtlichen zeigt mir den Weg und meine Startnummer wird laut gerufen. Bevor ich ins Wechselzelt komme dr�ckt mir irgendjemand meinen Laufsack in die Hand. Im Zelt bekomme ich ihn wieder abgenommen und ausgepackt. W�hrend ich lediglich Fu�- und Kopfbekleidung (Klickschuhe -> Laufschuhe, Helm -> Kappe) wechsle, packt "meine Garderobiere" die Sachen wieder in den Sack, die ich jetzt nicht mehr brauche. Das Wechselzonenteam hat auch f�r mich ein paar motivierende Worte, dann geht es auf die Halbmarathonstrecke. Auf den letzten Radkilometern geht es nur bergab. So hat es mich nicht gewundert, dass ich einen ziemlich niedrigen Puls habe, und mich recht frisch f�hle. Doch der schein tr�gt. Nach wenigen Laufmetern werden meine Oberschenkel fest und tun tierisch weh. Ich laufe gerade mal bis zum Kurpark, dann kommt die erste von vielen Gehpausen. Selbst wenn ich h�tte durchlaufen k�nnen, bei den beiden Versorgungsstellen musste ich bei dieser Hitze (30�C+) so viel trinken, und bei der Dauer des Wettkampfs so viel essen, dass ich so wie so langsamer geworden w�re. Dank meiner Lauferfahrung konnte ich nach und nach immer gr��ere St�cke laufen. Die letzte von den vier Runden bin ich fast durchgelaufen. Allerdings bekommt man auf der "Gegengerade" f�r jede Runde ein Band um den Arm, und mit vier B�ndern l�uft es sich einfach befreiter. ![]() Als ich das letzte Mal von der Wilhelmstra�e in Richtung Kurhaus abbiege, h�re ich, das jetzt Bernhard Helmdorf von den Spargelsprintern ins Ziel kommt. Dann biege ich in die Zielkurve ab. Petra und meine Mutter sitzen auf der Trib�ne, und sind bestimmt froh, dass ich einen gesunden Eindruck mache. Ich kann es gar nicht richtig fassen. Ich habe es gepackt. 7:38:14h. Im Ziel kniet dann auch gleich eine Helferin vor mir nieder� um mir meinen Zeitchip ab zu nehmen. Dann gehe ich in den "Athlete�s Garden" und trinke und trinke und trinke! Ich erhole mich schnell, und gehe zum Ausgang. Dort werde ich schon erwartet. Was soll ich sagen: Stolzer (Iron)Mann steht vor stolzer Frau, die immer hinter ihm steht, wenn er sich an solche Wettk�mpfe wagt. Meine Mutter ist auch stolz auf ihren Sohn. Petra begleitet mich ins Raceoffice. Dort bekommt man das Finisher-Shirt, die Medaille und seine Urkunde. Die Verleihung der Medaille war besonders festlich, denn ich habe sie von einem etwa 10j�hrigen Jungen umgeh�ngt bekommen. Vielleicht der j�ngste Ehrenamtliche? Danach gehe ich mich umziehen. F�r einen IRONMAN70.3 ist mangelnde Ausdauer ein absolutes Ausschlu�kriterium, es sei denn, man kauft sich jedes Mal ein neues Rad. Wie ich h�rte, sind letztes Jahr ein paar R�der gestohlen worden. Um also mein Rad zu bekommen ist langes warten, vierfache Kontrolle der Startnummern auf dem Rad, den Kleiderbeuteln und der Abholkarte und nochmaliges fotografieren angesagt. ![]() Petra holt derweil unser Auto, und bringt mich und mein Sportzeug heil Nach Idstein. Nach einem Marathon schlafe ich erst mal eine Stunde, aber dazu bin ich zu aufgedreht. Auch das hei�e Bad macht mich nicht schl�frig. Sauber, und in frischer W�sche werde ich mit Spaghetti verw�hnt. Zum Abschluss eines tollen Tages trinke ich zwei Weizen (richtige!) und genie�e mehr als eine Zigarette. Was f�r ein Tag. Ich war schon bei vielen guten Wettk�mpfen, aber diese Organisation toppt alles. Alle Abl�ufe sind klar, sp�testens wenn man bei der Wettkampfbesprechung war. Dort wird alles (teilweise mit Bildern erg�nzt) erkl�rt. Die drei Strecken werden virtuell abgefahren. Das Rad ein- bzw. auschecken erfordert etwas geduld. Die Menge an Helfern ist ungeheuerlich. Jeder Weg wird gesichert, an den Versorgungsstellen gibt es keine Staus und in den Wechselzonen wird man auch gut beh�tet. Allen Helfern sieht man an, dass es ihnen Spa� macht, und man sp�rt, dass sie wissen, was die Athleten da machen, und wissen, wie sie dabei helfen k�nnen. F�r Hitze und �bermut ist der Veranstalter nicht zust�ndig. Ger�chteweise soll es bei einer Abfahrt auf der Radstrecke St�rze, sogar mit Knochenbr�chen gegeben haben. Auf meiner ersten Laufrunde wird ein bewusstloser Mitk�mpfer behandelt. Den hohen Temperaturen wird durch die Pr�senz von vielen Rettern Rechnung getragen. Den gr��ten Raum im "Athlete�s Garden" nimmt auch die medizinische Abteilung in Anspruch. Auf den Bahren sehe ich einige Finisher, die an Infusionen h�ngen. Als ich einen Sitzplatz im Schatten suche bricht neben mir ein geschundener Athlet mit Magenkr�mpfen zusammen. Sp�testens jetzt wei� ich, dass ich Extremsportler bin. ![]() Nach den ganzen Erfahrungen, die ich an meinem l�ngsten halben Tag gemacht habe, lege ich die Stoppuhr beiseite, und bin einfach nur gl�cklich, dabei gewesen zu sein, und das auch noch gesund. Ein paar Tage nach dem Wettkampf f�ngt man aber doch an die Zeiten zu analysieren. Ich habe schon mehrfach denen Recht gegeben, die meinten, ich h�tte mir noch mindestens ein Jahr Zeit lassen sollen. Aber trotzdem m�chte ich wissen, was wie besser geht! Beim Schwimmen f�llt mir nix ein, dass h�tte einfach zwei Minuten schneller sein m�ssen. Die Radstrecke habe ich einfach untersch�tzt. Unterwegs hatte ich kaum Chancen, mich zu erholen. Lerneffekt: H�henmeter und Profilverlauf sind zwei v�llig unterschiedliche Dinge. Und letztlich hat mir dann beim Laufen die Kraft gefehlt. Das Trainingsfazit: Ausdauer gut trainiert - Kraftausdauer schlecht trainiert. Wer nun meint, ich w�rde n�chstes Jahr wieder dabei sein, dem rufe ich ein ganz entschiedenes "Nein" zu. Da wird Urlaub nach Petras Vorgaben gemacht. Ohne sie h�tte ich das alles nicht machen k�nnen, und daf�r bin ich ihr unendlich dankbar! Aber vielleicht eventuell unter Umst�nden w�rde ich gerne 2011 wieder mitmachen d�rfen wollen k�nnen? Berni Helmdorf
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