Die GeneralprobeDer letzte Wettkampf, bevor ich mich dem IRONMAN70.3 stelle, ist ein echtes Bonbon: Cityman in Hamburg. Anreise ist am Freitag. Schlechtes Wetter ist mein kleinstes Problem. Ich bin mit zwei defekten Reifen nach Hamburg gekommen. "Kein Thema" denke ich, eine große Warenhauskette hat die Marke, die ich möchte. Von wegen, alles was mit Rennrad zu tun hat ist ausverkauft. Nach einem längeren Spaziergang finden Petra und ich einen kleinen, aber feinen Radladen. Der hatte das Material, was mir fehlte, sogar in der Farbe, die ich wollte. Der Samstag steht also im Zeichen des Gummis. Zumindest der Vormittag. Der Nachmittag steht im Zeichen des Regens. Trotzdem war ich von den Profitriathletinnen begeistert, leider sind einige beim Radfahren gestürzt. Nach dem Rennen treffen wir Burkhard. Bei einem gepflegten Bier (dem alkoholfreien) am Jungfernstieg erklärt er mir die Schwimmstrecke. Ich bin gespannt. Wir haben uns mit dem gleichen Kodewort angemeldet, und werden deswegen zusammen starten, und auch Nachbarn in der Wechselzone sein. Am Sonntag habe ich, wie immer, (noch) keine Lust zum aufstehen, ändere aber schnell meine Einstellung. Um 8:30 Uhr durchqueren Burkhard und ich den Check-In. Ein langer Weg liegt vor uns, denn wir sind wirklich das Ende der Wechselzone. Genauer gesagt habe ich das Privileg, den kürzesten Weg auf die Radstrecke zu haben, und damit auch viel Platz um meine Rad- und Laufsachen einzurichten. Auf dem Weg zum Start gehen Burkhard und ich noch ganz entspannt auf ein Örtchen, die völlig ausreichend vorhanden waren. Dann zum Jungfernstieg zur Kleiderabgabe, und weiter zum Vorstartbereich. Dort gibt es ein kleines Powerbuffet, ich hatte aber schon meine Ration Gel, und habe mich dort nicht bedient. Der Weg bis zum Startponton ist lang und eng. Endlich komme ich ins Wasser. Als ich meinen Neo flute, und ein wenig nach Luft schnappe, sagt ein Mitstarter zu mir, dass das Wasser doch angenehm warm sei. Okay, fast 20°C sind nicht schlecht. Der Platz zum Einschwimmen ist nicht gerade üppig, aber ich tue mein Bestes. Kurz vor dm Start klatschen Burkhard und ich uns ab. Als ich Burkhard frage, wann es denn Mittagessen gibt, werden einige Sportler um uns etwas lockerer. Die laute und puschende Musik verstummt und ein Hornsignal sagt: "Los! Schwimmt!" Ich versuche es ruhig anzugehen, und mit einer Dreieratmung einen Großteil der Strecke zu bewältigen. Als erstes ist mir mein Chip verrutscht, und dann ist mir etwas Wasser in die Schwimmbrille gelaufen. Schon war ich wieder im beliebten Bruststil. Ein zweites Problem ist die Orientierung. Wenn ich meinen Kopf nach vorn richte, komme ich mit dem Atmen durcheinander. In Hamburg schwimmt man ja durch einige Brücken. Hier wusste ich durch links und rechts schauen, wo es lang geht, und da konnte ich richtig aufdrehen. Nach etwa der Hälfte der Strecke konnte ich wieder ein paar Mitstreiter zurück überholen. Die Freude währte nur kurz, weil ich dann schon von den Führenden der folgenden Startgruppe eingeholt wurde. Als ich dann in die "kleine Alster" schwimme, darf ich das erste Mal das Hamburger Publikum hören. Ich komme gut aus dem Wasser, Petra feuert mich an, und ich mache mich auf den langen Weg zu meinem Rad. Ich muss den gesamten Ballindamm hoch laufen, ich schätze so nach 800m bin ich an meinem Wechselplatz. Ruck zuck bin ich bereit zum radeln. Der Vorteil meines Platzes ist die Nähe zur weisen Linie, die das Schieben beendet. Zuerst durch den Tunnel, dann ein bisschen Zickzack fahren und dann geht es die Elbe lang bis zur Helgoländer Allee. Die erste Steigung hat mich etwas überrascht, aber man sieht sich heute noch mal ;-) . Die Reeperbahn runter, zur Palmaille - noch eine Steigung - und dann die Elbchaussee bis zum Wendepunkt. Beim Rückweg fährt man statt auf der Reeperbahn auf der Hafenstrasse. Burkhard hat nicht zu viel versprochen, die Strecke hat was. Vereinzelt stehen auch Passanten am Straßenrand, und feuern uns an. Auf der zweiten Runde läuft alles viel besser, bis zum Wendepunkt. Leider gibt es in jedem Wettkampf Leute, die nicht ganz mit dem Reglement vertraut sind. Gepaart mit etwas Egoismus wird es dann ärgerlich. Ein Fahrer, den ich überholt hatte, hat sich in der Kehre an mir vorbei gedrängelt, und ist dann auch schön auf der linken Seite geblieben. Als ich dann gemeckert habe hat er mich dann noch bedroht - wie armselig! Ich hatte meinen Spaß an der Strecke schnell wieder. Besonders die Abfahrt zu den Landungsbrücken hat richtig Laune gemacht. Dann fahre ich wieder durch den Tunnel zur Wechselzone. Dort angekommen gönne ich mir erst mal einen Mund voll Gel, und einen kräftigen Schluck Wasser. Dann Helm und Brille runter, Kappe auf und Laufschuhe an. Ganz langsam laufe ich los - die Laufstrecke ist noch weit. Seit dem Start drückt meine Blase etwas, aber ich denke mir, wenn es auf der Radstrecke aus zu halten war, dann vielleicht auch auf der Laufstrecke. Als ich mich den Ballindamm in Richtung Jungfernstieg bewege, merke ich wie doof das (gesponserte) Startnummernband ist. Endlich laufe ich über die Matte, die mich mit einem Zwitschern auf die Laufrunde schickt. Nach wenigen hundert Metern kommt die erste Verpflegungsstation. Ich nehme einen Schluck Wasser, und beschließe, ein Toilettenhäuschen zu besuchen. Unter anderem verstelle ich dabei das Band. Ich bemühe mich, das Tempo gut zu kontrollieren. Das gelingt mir auch. Auf dem Weg zum Alsterufer komme ich mit einem ehrenamtlichen Helfer ins Gespräch. Frank macht demnächst die Langdistanz. Bis Kilometer 9 plaudern wir. Dann muss ich mich bei ihm bedanken, und mich gleichzeitig dafür entschuldigen, dass ich nun zunehmend kurzatmiger werde. Danke noch mal für die Ablenkung. Wie gesagt, mein Tempo hatte ich im Griff. Als ich auf die Poststraße einbiege, weiß ich schon, dass ich die Dreistundengrenze unterbieten würde. Der Zieleinlauf auf dem Rathausplatz hat was sehr erhebendes. Recht stolz stehe ich hier, wo in wenigen Stunden die Profis ihr Weltcup-Rennen beenden werden. Als ich den Zielbereich verlasse treffe ich gleich Burkhard mit Tochter und Petra. Ich hole mein Alkoholfreies und ein Stück Kuchen. Nach dem wir eine Schale geschmacklose Nudelpfanne verspeist haben, machen Petra und ich noch einen Rundgang auf der Messe. Der Verdauungsspaziergang wird mit einem Becher Kaffee abgerundet, den wir auf die Tribüne auf dem Rathausplatz mitnehmen wollen. Vor den Eingängen machen die Ordner Einlasskontrolle, bzw. lassen keinen mehr rein. Ich höre den Jubel, und weis, dass die Stars des heutigen Tags ihre Wechselzonen einrichten. Wir haben Glück, und werden dann doch noch auf die Tribüne gelassen. Jetzt kommt meine zweite sportliche Höchstleistung: Die "Stadionsprecher" heizen uns ein, und üben mit den Hamburgern (angeblich dem besten Publikum der Welt) Klatschen, Rufen und aufstehen. Das Rennen verlief für die deutschen Athleten nicht so gut, aber der letzte Finisher wurde am meisten gefeiert - Daniel Unger ist hier absoluter Liebling seit seinem Sieg 2007, heute hat ihn eine Reifenpanne ausgebremst. Bleibt nur noch meine Sachen aus der Wechselzone zu holen. Ich hatte damit gerechnet, dass mehr Jedermänner und -frauen die Möglichkeit nutzen, ihre Sachen erst nach dem Profirennen zu holen. Nachdem ich den Eingang zur Wechselzone gefunden hatte, ging alles recht schnell. Bei anderen dauerte es länger, aber es stand ausdrücklich geschrieben: "Startnummer und Leihchip bereithalten". Auf der Heimreise ins Hotel freue ich mich, weil ich noch eine Menge "Iso" in meiner Radflasche habe. Normalerweise schlafe ich ein Stündchen nach einem Wettkampf, heute aber nicht. Wir haben ein Zimmer mit Badewanne, dort entspanne ich meine Muskeln. Abendessen im Hotel und dann früh ins Bett. Zum Dank an Petra habe ich sie am Montag nach St.-Peter-Ording begleitet. Leider haben wir so spontan keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Egal, ein mehrstündiger Spaziergang am schier endlosen Sandstrand war sehr erholsam. Ich philosophiere schon rum, ob es nicht schön sei, wenn ich mich das zweite Mal an der Mitteldistanz zu versuche, hier die Woche des Taperns zu verbringen. Ich konnte nicht deuten, ob Petra mit ihrer Reaktion meinte, ja, das wäre schön, oder "die zweite Mitteldistanz" ist egal, Hauptsache wir kommen hier noch mal her. Abends fährt mich Petra zurück nach Ilten. Endlich kann ich meine Zeiten auswerten, weil ich am Sonntag leider kein Internet zur Verfügung hatte. Schwimmen und Laufen mit neuer Bestzeit, Radfahren normal gut, aber die Wechselzeiten… . Fast zehn Minuten habe ich in der Wechselzone zugebracht, davon weniger als zwei Minuten "gewechselt", der Rest war Lauferei. Umso zufriedener kann ich mit der Generalprobe für "meinen" IRONMAN70.3 sein. Zur Veranstaltung kann ich nur sagen: "Hut ab!". Alles ist perfekt (außer dem sms-Service), die Kulisse ist sehr schön, das Ziel ist beeindruckend. Auch so Kleinigkeiten, dass ich mit Burkhard zusammen starten konnte, und wir Nachbarn in der Wechselzone sein konnten. Aber für mich war am schönsten, dass ich nach einem Wettkampf nicht einfach nach Hause gehen muss, sondern noch weiteres Programm genießen kann. Und hier hat Hamburg ein Hammerprogramm zu bieten! Neben den üblichen Danksagungen an Petra, Burkhard und den Spargelsprintern Burgdorf, möchte ich mich ganz besonders bei den ganzen ehrenamtlichen Helfern bedanken. Frank, ja der von der Laufstrecke, sagte mir, er würde zwar auch gerne mitmachen, aber so kann er auch was zurückgeben, was er als aktiver Athlet sonst bekommt. Oh Mann, da habe ich schon reichlich Schulden. Berni Helmdorf
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